Montag, 20. August 2007

Film "Anna Pavlova" (1983)



































Leseprobe aus der CD-ROM "Superfrauen: 14 Bücher auf einer CD-ROM" von Ernst Probst:

Als beste russische Ballett-Tänzerin gilt Anna Pawlowa (1881–1931), eigentlich Anna Matwejewna Pawlowa. Zu Weltruhm gelangte sie mit dem dreiminütigen Solo „Der sterbende Schwan“, der später von vielen anderen großen Tänzerinnen getanzt wurde. Der Erfolg der Pawlowa beruhte auf ihrer besonderen Grazie und ihrer ausdrucksvollen Gestaltungskraft, die das Publikum in ihren Bann zog.

Anna Pawlowa kam am 12. Februar 1881 in Sankt Petersburg (Russland) zur Welt. Ihre Mutter war die Waschfrau Ljubov Fjodorova Pawlowa, ihr Vater vielleicht der jüdische Bankier Lazar Poliakoff. Der Reservesoldat Matwej Pawlow, den ihre Mutter heiratete, ist nur ihr Stiefvater gewesen.

Die junge Anna trug nicht – was korrekt gewesen wäre – den Namen „Anna Matwejewna Pawlowa“, sondern nannte sich „Anna Pawlowna Pawlowa“. Letzterer Name erinnerte an einen mysteriösen „Pawel“, den Anna irrtümlich für den ersten Mann ihrer Mutter hielt und der angeblich gestorben sein soll, als sie erst zwei Jahre alt war.

Bereits in jungen Jahren träumte Anna von einer Zukunft als Tänzerin. Ihre Mutter schickte sie mit acht Jahren auf die „Kaiserliche Ballettschule“ in Sankt Petersburg, wo sie bald die Aufmerksamkeit ihrer Lehrer Pavel Gerdt (1844–1917) und Ekaterina Vazem (1848–1937) sowie des französischen Ballettmeisters Marius Petipa (1818–1910) am „Marijinski-Theater“ („Marientheater“) erregte. Seit ihren Schultagen wurde sie von dem Adligen Victor Dandré (1870–1944) gefördert.

Nach der erfolgreichen Abschlussprüfung an der „Kaiserlichen Ballettschule 1899 trat Anna Pawlowa in das „Kaiserliche Ballett“ am „Marientheater“ in Sankt Petersburg ein. Am 19. September 1899 feierte sie in „La Fille Male Gardée“ ihr Debüt. Schon während der Saison 1901/1902 erwarb sie sich einen guten Ruf. 1906 stieg die 23-Jährige zur Primaballerina des „Marientheaters“ auf.

Im Mai 1907 ging Anna Pawlowa auf die erste Tournee mit einer kleinen Truppe, die von dem russischen Tänzer und Choreographen Michel Fokine (1880–1942) geleitet wurde. Im selben Jahr choreographierte Fokine für Anna das Solo „Der sterbende Schwan“, das am 22. Dezember 1907 bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung in Sankt Petersburg uraufgeführt wurde. Mit diesem Solo war fortan der Name von Anna Pawlowna verknüpft. Die Musik hierzu schrieb der französische Komponist Charles-Camille Saint-Saëns (1835–1921).

Einflussreiche Freunde Anna Pawlowas überredeten 1908 die Leitung des „Marientheaters“ dazu, dieser eine Tournee nach Helsinki, Stockholm, Kopenhagen, Prag, Dresden, Leipzig und Berlin zu erlauben. Der Erfolg dabei war überwältigend und wiederholte sich im darauf folgenden Jahr.

Nach ihrer Tournee von 1909 verließ Anna Pawlowa das „Marientheater“ in Sankt Petersburg, reiste nach Paris und schloss sich dem „Ballets Russes“ an, wo sie bis 1911 als Solistin und Partnerin des russischen Tänzers und Choreographen Vaclav Nijinski (1890–1950), der 1919 in geistige Umnachtung fiel, arbeitete.

Das „Ballets Russes“ wurde von dem russischen Theaterschaffenden Sergej Diaghilew (1872–1929) gegründet, kam 1909 nach Paris und leitete mit Aufsehen erregenden Inszenierungen – wie „Les Sylphides“, „Feuervogel“, „Daphne und Cloe“ – eine Renaissance des klassischen Balletts ein. Die Bühnenbilder für das „Ballets Russes“ sind von den Malern Pablo Picasso (1881–1973) und Henri Matisse (1869–1954) entworfen worden. Die Musik stammt von den Komponisten Joseph Maurice Ravel (1875–1937), Claude Debussy (1862–1918), Eric Satie (1866–1925), Igor Strawinski (1882–1971) und Sergej Sergejewitsch Prokofjew (1891–1953).

Die triumphalen Erfolge des „Ballets Russes“ erregten auch in London und in den USA großes Aufsehen. In der britischen Hauptstadt tanzte Anna Pawlowa sogar vor dem König und seiner Gemahlin. 1910 schloss die 28-jährige Tänzerin einen Vertrag mit dem „Marientheater“ in Sankt Petersburg. 1909/1911 unternahm sie eine Tournee nach Großbritannien und in die USA.

Zu jener Zeit gab es in Sankt Petersburg einen Skandal: Victor Dandré, der Gönner von Anna Pawlowa, wurde beschuldigt, Regierungsgelder unterschlagen zu haben. Nach Annas Rückkehr kam Dandré zwar frei, durfte aber die Stadt nicht verlassen. Einige Wochen später, als Anna wieder in London auftrat, flüchtete Dandré 1912 aus Russland zu ihr.

Man weiß nicht, ob Anna Pawlowa in die Unterschlagungen Dandrés verwickelt war oder ob sie nur zu ihrem alten Geliebten und Gönner hielt. Womöglich war Dandré regelrecht vernarrt in Anna, während diese ihn lediglich als ihren Schirmherrn schätzte. Wie dem auch sei, Anna hielt zu ihm und blieb in Großbritannien. 1914 sollen Anna und Dandré geheiratet haben, was beide jedoch jahrelang geheim hielten.

Anna Pawlowa und Dandré mieteten im Londoner Stadtteil Hampstead ein Haus in der „The North End Road“, das sie später kauften und das „Ivy House“ („Efeu-Haus“) hieß. Die Pawlowa gründete eine eigene Truppe, ging mit dieser auf Welttournee und gastierte teilweise in Städten, die noch nie zuvor klassisches Ballett gesehen hatten. Millionen von Menschen sahen ihre Auftritte, und sie erwarb sich den Status eines Superstars. 1928 erschien unter dem Namen von Anna Pawlowa das Buch „Tanzende Füße. Der Weg meines Lebens“, das sie als Fälschung betrachtete.

Nach zwei Jahrzehnten, in denen sie fast ständig unterwegs war, fühlte sich Anna Pawlowa wie ausgebrannt. Im Januar 1931 verunglückte der Zug, mit dem die Kranke von Cannes nach Paris fuhr. Die Pawlowa blieb dabei zwar unverletzt, erkältete sich aber stark während der zwölf Stunden, in denen die Wagen ungeheizt blieben.

Bei der kurz danach gestarteten Abschiedstournee in den Niederlanden litt Anna Pawlowa an einer schweren Lungenentzündung. Die begnadete Tänzerin starb in den frühen Morgenstunden des 23. Januar 1931 im Alter von nur 49 Jahren in einem Zimmer des „Hôtel des Indes“ in Den Haag. Die Urne mit ihrer Asche wurde auf dem Friedhof „Golders Green Cemetery“ nahe ihres geliebten „Ivy House“ bestattet.

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